Unsere Recherche: Was ist los bei der Ausländerbehörde?
Veröffentlicht: Mittwoch, 07.05.2025 08:41
Nacht für Nacht bilden sich vor der Ausländerbehörde an der Erkrather Straße aktuell lange Schlangen - die Menschen hoffen auf einen Termin am nächsten Tag. Insgesamt leben in Düsseldorf 165.000 Menschen ohne deutschen Pass. Sie alle müssen regelmäßig Anträge bei der Ausländerbehörde stellen. Die Gründe für die Situation vor Ort sind vielfältig, auf dieser Seite geben wir einen Überblick über die verschiedenen Aspekte und Perspektiven.

Die Situation vor Ort
Wir waren Ende April und Anfang Mai selbst vor Ort, um uns die Situation vor der Ausländerbehörde persönlich anzuschauen. Und obwohl es nachts zum Teil wirklich kalt war, haben wir früh morgens zig Menschen angetroffen, die offenbar die Nacht vor der Behörde verbracht hatten. Dort haben sie mit Campingstühlen und dicker Winterkleidung bis zu 8 Stunden gewartet, um morgens einen der begehrten Notfalltermine zu erhalten.
Die Sicht der Betroffenen
Warum stehen die Menschen an?
Wir haben vor Ort mit Betroffenen gesprochen. Die meisten Menschen, die dort anstanden, brauchten dringend eine Arbeitserlaubnis. Viele Menschen haben uns gesagt, dass sie schon vor Monaten einen Antrag gestellt haben, aber nie eine Rückmeldung erhalten haben. In ihrer Verzweiflung haben sie sich dann nachts vor der Behörde angestellt, um einen der täglichen Notfalltermine zu bekommen. So geht es auch Armin, Arina - beide haben in Düsseldorf studiert und einen Anschlussjob gefunden. Ohne die Arbeitserlaubnis können sie aber nicht anfangen. Und Said Hussein droht seinen Job zu verlieren:
Wer gilt als Notfall?
Die Behörde hat klar festgelegt, wer als Notfall gilt und Anspruch auf einen der derzeit 70 sogenannten Ad-hoc-Termine hat, die täglich angeboten werden: Notfälle sind demnach ein drohender Jobverlust, drohender Leistungsverlust oder eine dringende Reise. Said Hussein hätte folglich Anspruch auf einen solchen Termin. Der Arbeitsvertrag von Arina läuft allerdings erst ab Juni - ob sie als Notfall eingestuft wird, ist daher nicht klar, obwohl sie schon seit Wochen auf eine Rückmeldung wartet.
Fortwirken der Erlaubnis
Birgit Appel von Flüchtlinge Willkommen in Düsseldorf stellt klar: Auch Arbeitgebende sollten sich richtig über die Rechtslage informieren. Denn wer schon einmal eine Arbeitserlaubnis hatte, müsse nur darauf achten, seinen Antrag pünktlich zu stellen:
Weitere Probleme vor Ort
Weil die Wartezeiten so lang sind, soll sich um die begehrten Plätze vor der Behörde ein regelrechter Markt entwickelt haben. Das haben uns Betroffene berichtet. Amtsleiter Rana Bhattacharjee kann nicht ausschließen, dass tatsächlich Plätze weiterverkauft werden:
Vorwürfe von Betroffenen, wonach sich auch der Sicherheitsdienst an der Situation bereichern würde, weist Bhattacharjee hingegen zurück. Er verweist auf die hohen Auswahlstandards für die Ordnungskräfte: Sie kämen von einem Drittanbieter, der von der Behörde regelmäßig überprüft werde.
Die Reform der Ausländerbehörde
Fachkräftemangel in der Behörde
Vor 2 1/2 Jahren hat Rana Martin Bhattacharjee die Leitung des Amts für Migration und Integration übernommen. Das Ziel: Bhattacharjee soll die Behörde umfassend reformieren. Mehr Mitarbeitende, mehr Digitalisierung und eine bessere Erreichbarkeit seien geplant, heißt es. Im ersten Schritt ist die Zahl der Mitarbeitenden in den letzten Jahren von 135 auf 192 angestiegen. Eine interne Untersuchung zeigt jedoch, dass noch 60 weitere Fachkräfte benötigt werden, um die geplante Service-Verbesserung tatsächlich umsetzen zu können. Das Problem: Neues Personal muss erst einmal angeworben und dann auch angelernt werden. Das komplexe Ausländerrecht mache eine Einarbeitungszeit von 1-2 Jahren notwendig, schätzt Bhattarcharjee. Deshalb könne auch das Kontingent an persönlichen Terminen nur nach und nach erweitert werden.
Mehr Digitalisierung
Seit Mitte März gibt es ein neues Antrags-Tool auf der Website der Ausländerbehörde. Damit können fast alle Anträge online gestellt werden - in neun Sprachen. In den ersten sechs Wochen sind bereits mehr als 5.000 Anträge über das Tool bei der Behörde eingegangen. Und es hat unmittelbar Auswirkungen auf die Terminvergabe bei der Behörde, sagt Integrations-Dezernentin Miriam Koch:
Das Antrags-Tool ist nur eine der Neuerungen auf der Behörden-Website. Deren Aufteilung orientiert sich jetzt an den Zuständigkeiten innerhalb der Behörde, das soll zukünftig die Bearbeitungszeiten verkürzen, sagt Amtsleiter Bhattacharjee. Und auf der Startseite der Behörde finden sich Links zu häufigen Anliegen. Zwei Mankos fallen allerdings auf: Die mobile Ansicht der Seite ist deutlich unübersichtlicher und der Bereich der häufig gestellten Fragen (FAQ) behandelt lediglich zwei Fragen - hier kann also in Sachen einfache Kommunikation noch nachgebessert werden. Bhattacharjee hat aber sowieso noch weitere Pläne zu Digitalisierung seiner Behörde:
Verbesserte Kommunikation
85 % der Beschwerden bei der Ausländerbehörde gehen auf schlechte oder fehlende Kommunkation zurück, weiß Amtsleiter Bhattacharjee. Und das soll sich ändern. Ein häufiger Beschwerde-Grund: Die Telefon-Hotline sei nicht erreichbar. Tatsächlich beschränkt sich die telefonische Erreichbarkeit bislang auf wenige Stunden an nur drei Tagen in der Woche. Das soll jetzt aber besser werden: Durch mehr Mitarbeitende sei es möglich, die Zeiten der Telefonhotline auszuweiten, verspricht Dezernentin Koch.
Und Amtsleiter Rana Bhattacharjee ergänzt, dass die telefonische Hotline auch neue Befugnisse bekommen soll:
Reaktionen aus der Düsseldorfer Wirtschaft
Industrie- und Handelskammer Düsseldorf
Auch die Düsseldorfer Wirtschaft macht sich Gedanken um die Situation vor der Ausländerbehörde. Die bürokratischen Hürden durch die Behörde seien auch ein Problem für Unternehmen, die Fachkräfte aus dem Ausland beschäftigen, sagt Nikolaus Paffenholz von der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf (IHK). Denn das Einstellen internationaler Fachkräfte sei ein wichtiges Mittel gegen den Fachkräftemangel in unserer Stadt, so Paffenholz weiter. Das zeigt auch der aktuelle Fachkräftereport der IHK. Der Abbau bürokratischer Hürden sei deshalb wichtig für die Attraktivität des Standorts Düsseldorf.
Handwerkskammer Düsseldorf
Und auch die Handwerkskammer Düsseldorf (HWK) sieht Migration und Integration als wichtige Faktoren bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels - insbesondere in handwerklichen Berufen. Bei einer Vollversammlung Anfang Mai hat sie deshalb klare Forderungen formuliert. Im Fokus des Beschlusspapiers stehen unter anderem mehr und bessere Sprachkurse:
Wir behalten die Lage vor Ort weiter im Blick und berichten hier über Veränderungen und weitere Neuerungen bei der Ausländerbehörde.
Weitere Infos und Links zum Thema:
Der Fachkräftereport der IHK Düsseldorf
Das Beschlusspapier der HWK Düsseldorf
Das meldet die Stadt zur Reform der Ausländerbehörde
Autorin: Julia Trompeter