Ausländer sehen Schuld für Krieg oft nicht nur bei Russland

Ukrainekrieg - Kostjantyniwka
© Oleg Petrasiuk/Ukrainian 24th Mechanized brigade/AP/dpa

Studie der Adenauer-Stiftung

Berlin (dpa) - Der Rechtsextremismus in Deutschland beunruhigt Menschen ohne Migrationshintergrund noch stärker als Zuwanderer und ihre direkten Nachkommen. Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Untersuchung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) zum Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft. 

Unterschiede zwischen Deutschen mit und ohne ausländische Wurzeln gibt es demnach auch, was die Sicht auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und antisemitische Vorurteile und Vorbehalte gegen Homosexuelle angeht. 

Für die repräsentative Untersuchung waren von Anfang Oktober 2024 bis Ende Januar bundesweit rund 3.000 Menschen befragt worden, unter ihnen 1.007 Ausländerinnen und Ausländer sowie 1.003 Menschen mit Migrationshintergrund, die selbst im Ausland geboren wurden oder mindestens einen Elternteil haben, auf den das zutrifft.

Laut Studie stimmen knapp drei Viertel (74 Prozent) der Deutschen ohne familiäre Einwanderungsgeschichte der Aussage «Der Rechtsextremismus in Deutschland macht mir Angst» zu, wobei 46 Prozent völlig und 28 Prozent eher zustimmen. Auch knapp zwei Drittel (66 Prozent) der Deutschen mit Migrationshintergrund treibt diese Angst um. Unter den hierzulande lebenden Ausländern sind es 55 Prozent. 

Am häufigsten äußern sich in der Untersuchung Menschen mit Wurzeln in der Türkei und in Russland besorgt über den Rechtsextremismus in Deutschland. Deutlich geringer ist der Anteil demnach unter Menschen polnischer Herkunft.

Unterschiedliche Sichtweisen auf Ukraine-Krieg

Dass Russland alleine schuld am Krieg in der Ukraine ist, glauben laut Studie lediglich 38 Prozent der Ausländerinnen und Ausländer, die in Deutschland leben. Unter den Deutschen mit Migrationshintergrund ist der Anteil derjenigen, die diese Auffassung teilen, ähnlich (39 Prozent). Dagegen sieht eine Mehrheit von 58 Prozent der Deutschen ohne ausländische Wurzeln die Schuld für den seit Februar 2022 andauernden Krieg alleine bei Russland.

Antisemitische Vorurteile

Um antisemitische Einstellungen zu messen, waren die Teilnehmer der Umfrage aufgefordert, sich zu der Aussage «Juden kann man nicht trauen» zu positionieren. Jeder zehnte befragte Ausländer und neun Prozent der Deutschen mit Migrationshintergrund stimmte hier den Angaben zufolge zu. Unter den Deutschen ohne Einwanderungsgeschichte war der Anteil derjenigen, die diese Aussage teilen, mit vier Prozent niedriger.

Unterschiede gibt es laut Studie auch, wenn man einzelne Herkunftsregionen betrachtet. Demnach misstraute zum Zeitpunkt der Befragung rund ein Viertel (26 Prozent) der Türkeistämmigen jüdischen Menschen. Bei einer entsprechenden Befragung im Jahr 2015 waren es 18 Prozent gewesen. 

Der Anstieg dürfte mit dem Krieg im Gazastreifen zu tun haben, der nach dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 begonnen hatte. In 6.236 Fällen wurde in der Eingangsstatistik der Polizei im Jahr 2024 ein mutmaßlich antisemitisches Motiv aktenkundig. 

Von den insgesamt 7.328 politisch motivierten Straftaten, die die Polizei den Unterthemenfeldern «Israel» und «Palästina» zugeordnet hat, sah sie in 2.832 Fällen eine antisemitische Tatmotivation. Ein großer Teil der 793 politisch motivierten Gewaltstraftaten, die im Kontext des Nahost-Konflikts polizeibekannt wurden, stand in Zusammenhang mit Demonstrationen und Protestaktionen. 

Überdurchschnittlich hoch ist der Anteil der Menschen, die bei der Befragung der Stiftung angaben, Juden nicht zu trauen, auch unter Spätaussiedlern (18 Prozent). Spätaussiedler sind Menschen deutscher Herkunft, die nach dem Zweiten Weltkrieg, vor allem nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, aus Osteuropa und der früheren Sowjetunion nach Deutschland eingewandert sind.

Vorbehalte gegen Homosexuelle

Die Autorin der Studie «Einwanderungsgesellschaft im Wandel», Sabine Pokorny, hat außerdem interessiert, wie Zuwanderer und ihre Nachkommen auf Homosexualität blicken. Unter Deutschen ohne Migrationshintergrund ist die Ablehnung Homosexueller demnach inzwischen die Ausnahme. 

Deutsche mit Migrationshintergrund sowie Ausländerinnen und Ausländer lehnen Homosexuelle zwar nun seltener ab als vor zehn Jahren. Allerdings liegt das Niveau der Ablehnung in diesen Gruppen immer noch bei 18 Prozent beziehungsweise 19 Prozent. Zum Vergleich: Von den befragten Deutschen ohne Migrationshintergrund stimmten laut KAS-Studie sieben Prozent der Aussage «Ich will keine homosexuellen Freunde» zu. 

Die Ergebnisse zeigen auch, dass jeweils rund ein Viertel der Musliminnen und Muslime sowie der orthodoxen Christen keine homosexuellen Freunde möchte. 

Blick auf Leben in Deutschland leicht eingetrübt

Die Frage «Leben Sie alles in allem gerne in Deutschland?» beantworten zwar über alle untersuchten Gruppen hinweg jeweils mehr als 90 Prozent der Befragten mit «Ja». Allerdings ist der Anteil im Vergleich zur Erhebung von 2015 jeweils leicht gesunken. 

Minderheit fühlt sich immer mit Respekt behandelt

Von den Deutschen ohne Migrationsgeschichte fühlen sich 37 Prozent immer mit Respekt behandelt. Von den Menschen mit Migrationshintergrund antworteten 39 Prozent auf die Frage: «Fühlen Sie sich in Deutschland mit Respekt behandelt?» mit «Ja, immer». Dass dieser Wert für Ausländer mit 52 Prozent deutlich höher liegt, mag verschiedene Gründe haben. Eine denkbare Variante ist, dass der Vergleich mit der Situation im Herkunftsland womöglich noch eine größere Rolle spielt als bei den Menschen mit Migrationshintergrund. 

Klar ist: Im Vergleich zur Befragung 2015, als in allen drei Gruppen jeweils 56 Prozent den Eindruck hatten, man begegne ihnen stets mit Respekt, wird hier ein negativer Trend sichtbar.

© dpa-infocom, dpa:251207-930-390073/2
Studie zum Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft
Am Tag der offenen Moschee besuchen auch Menschen, die nicht Muslime sind, Moscheen, wie hier in Köln. (Archivfoto)© Henning Kaiser/dpa
Am Tag der offenen Moschee besuchen auch Menschen, die nicht Muslime sind, Moscheen, wie hier in Köln. (Archivfoto)
© Henning Kaiser/dpa

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